Preisgestaltung
Wahl und Ausgestaltung der Preisgestaltung
Für Regelungen von Preisen müssen Hersteller, Importeure und Anbieter folgende Themen beachten:
- Preisvorgaben bleiben unverändert unzulässig, es sei denn, der Anbieter gibt Höchstpreise vor oder unverbindliche Preisempfehlungen. Dies gilt wie bisher auch für indirekt wirkende Maßnahmen zur Sicherung eines Mindestpreisniveaus wie Lieferverzögerungen, Sonderrabatte oder Bildnutzungsrechte. „Minimum Advertised prices“ (MAP) bleiben unzulässig; es sei denn, sie sind unverbindlich.
- Doppelpreissysteme, in denen der Händler für Produkte die er offline verkauft, andere Einkaufspreise zahlen muss als für Produkte für den online-Verkauf, sind nach der neuen Vertikal-GVO 720/2022 unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, insbesondere um Investitionen eines Händlers zu unterstützen.
- Bestpreisklauseln sind ebenfalls nur eingeschränkt mit der neuen Vertikal-GVO 720/2022 und ihren Leitlinien vereinbar. So genannte weite Preisparitätsklauseln, wie sie insbesondere von Hotelbuchungsplattformen verwendet wurden, sind unter der neuen Vertikalen Vereinbarung unzulässig. Enge Preisparitätsklauseln sollen zum Schutz vor free riding zulässig bleiben.
Doppelpreissysteme
Doppelpreissysteme / Dual Pricing System
So genannte Doppelpreissysteme (dual pricing) sind zukünftig kartellrechtskonform. Beim dual pricing bezahlt der Händler oder Abnehmer einen höheren Preis für Produkte, die er online verkaufen will, als für Produkte, die er offline vertreiben möchte. Dies ist eine erhebliche Erneuerung zugunsten der Hersteller und Anbieter. Voraussetzung ist, dass der gemeinsame Marktanteil 30% nicht überschreitet. Zudem muss eine Doppelpreisstrategie so gestaltet sein, dass Anreize für den Händler geboten werden, damit er angemessene Investitionen für den Online- bzw. Offline-Bereich tätigt. Preisunterschiede in einem Doppelpreissystem müssen daher an die unterschiedlichen Kosten anknüpfen, die der jeweilige Händler auf der Einzelhandelsstufe bei den jeweils genutzten Online- und Offline-Vertriebskanälen zu tragen hat. Hersteller können hierbei nach der neuen Vertikal-GVO 720/2022 nicht nur fixe, sondern auch variable Kosten des Händlers bei der Bemessung der differenzierten Einkaufspreise und bei Kick-backs einbeziehen.
Kann der Hersteller oder Anbieter aber einen solchen Investitionsanreiz nicht nachweisen, liegt der Verdacht nahe, dass durch die unterschiedlichen Einkaufspreise lediglich die Nutzung des Internets für den Online-Verkauf verhindert werden soll. Somit handelt es sich um eine kartell-rechtswidrige und damit verbotene Kernbeschränkung. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Preisunterschied so gravierend ist, dass die Nutzung des Internets für den Online-Verkauf der Produkte und Dienstleistungen für den Händler unrentabel wird.
Preisvorgaben
Preisvorgaben/ Minimum Advertised Prices
Die Vorgabe von Wiederverkaufspreisen an den Händler bleiben im selben Maße wie bisher zulässig bzw. unzulässig. Die neue Vertikal-GVO 720/2022 weicht nicht von der bisher geltenden Vertikal-GVO 2010 ab. Dies gilt auch für die MAPs, also „minimum advertised prices“ oder „street prices“, die in den USA zulässig sind. Die EU-Kommission hat sich dieser Rechtsauffassung nicht angeschlossen und gestattet Mindestpreise für die Preisauszeichnung ebenso wenig wie Mindestpreise für den tatsächlichen Verkauf.
Allerdings erkennen die Leitlinien zur neuen Vertikal-GVO 720/2022 an, dass Preisvorgaben auch positive Effekte haben können. Wenn ein Anbieter oder Hersteller ein neues Produkt in den Markt einführen will, können Mindestpreise hilfreich sein, damit alle Händler das Interesse des Herstellers an der Förderung dieses neuen Produkts besser berücksichtigen und die Verkaufsanstrengungen erhöhen. Zwei- bis sechswöchige Kampagnen für Sonderangebote werden in der Regel nur dann funktionieren, wenn sich alle teilnehmenden Händler an einen bestimmten Fixpreis halten. Die Europäische Kommission erkennt auch an, dass Mindestpreise gegen das Trittbrettfahrerproblem (free riding) helfen können, bei dem sich Kunden intensiv von einem Händler beraten lassen, das Produkt anschließend aber online zu einem günstigeren Preis kaufen. Die neue Vertikal-GVO 720/2022 verlangt jedoch, dass die Anbieter und Hersteller, die mit Mindestpreisen in den Markt gehen wollen, Nachweise für die positiven Effekte in den oben genannten Fallgruppen (Markteinführung, Sonderangebotskampagne, Verhinderung von free riding) vorlegen können.
Preisvergleichsportale
Preisvergleichsportale und Online-Plattformen
Nach der neuen Vertikal-GVO 720/2022 und ihren Leitlinien sind Preisvergleichsinstrumente wie Websites, Portale oder Apps sowohl für Händler als auch für Verbraucher wichtige Mittel, um Produkte abzusetzen bzw. zu finden. Nach der neuen Vertikal-GVO 720/2022 sind die Verhinderung oder die Beschränkung der Nutzung von Preisvergleichsinstrumenten als Online-Werbekanal eine verbotene Kernbeschränkung. Solche Verbote oder Beschränkungsmaßnahmen sind geeignet, den passiven Verkauf an Kunden einzuschränken, die online kaufen wollen und sich außerhalb des physischen Handelsgebiets des Händlers befinden. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Preisvergleichsinstrumente als Form des aktiven Verkaufs anzusehen sind. Zulässig sind auch Qualitätsanforderungen an die Nutzung von Preisvergleichsportalen, solange deren Nutzung weder direkt noch indirekt verhindert wird.
Die neue Vertikal-GVO 720/2022 und ihre Leitlinien sehen erhebliche Änderungen im Bereich der Online-Plattformen bzw. der Online-Intermediäre und Online-Vermittlungsdienste vor. Die neue Vertikal-GVO 720/2022 qualifiziert Online-Vermittlungsdienste für das Bewerben und den Verkauf von Waren als Anbieter. Auf sie sind die kartellrechtlichen Regelungen also ebenso anwendbar wie auf sonstige Hersteller und Anbieter. Wird der Plattformbetreiber nicht als Plattform, also Vermittler zwischen Anbietern und Käufern, tätig, sondern verkauft er ebenso wie der Anbieter Waren und wird dadurch sein Wettbewerber, kann er sich auf die Vertikal-GVO überhaupt nicht berufen. Auf solche hybride Plattformen gilt das Kartellverbot unabhängig von Marktanteil daher immer, ohne dass sich solche hybride Plattformen auf Ausnahmeregelungen der neuen Vertikal-GVO berufen könnten.
Bestpreisklauseln
Bestpreisklauseln und Paritätsverpflichtungen
Mit Bestpreisklauseln – auch Preisparitätsklauseln, Paritätsverpflichtungen oder Meistbegünstigungsklauseln genannt – wollen in der Regel Betreiber von Online-Plattformen sicherstellen, dass ein Anbieter die Produkte und Dienstleistungen auf der Plattform nicht zu Bedingungen anbietet, die ungünstiger sind als die Bedingungen, die der Anbieter bestimmten anderen Parteien oder auf bestimmten anderen Kanälen gewährt. So genannte weite Preisparitätsklauseln verbieten dem Anbieter generell, die Produkte und Dienstleistungen auf bzw. unter Einschaltung von anderen Plattformen oder Anbietern Endverbrauchern zu besseren Bedingungen anzubieten als auf der Plattform, für die die Paritätsverpflichtung besteht (weite Preisparitätsklausel). Solche weiten Preisparitätsklauseln sind nach der neuen Vertikal-GVO 720/2022 unzulässig.
Enge Preisparitätsklauseln können dagegen das free riding-Problem lösen. Unter engen Preisparitätsverpflichtungen versteht man Regelungen von online-Plattformen, nach denen günstigere Bedingungen gegenüber Endkunden nur auf der eigenen Website des Anbieters der Produkte und Dienstleistungen verboten sind, nicht jedoch auf anderen Online-Vertriebskanälen, etwa anderen Online-Plattformen. Enge Preisparitätsklauseln können daher nach neue Vertikal-GVO 720/2022 zulässig; allerdings muss hier der jeweilige Einzelfall betrachtet werden, da auch enge Preisparitätsklauseln den Betreibern von Online-Vermittlungsdiensten die Beibehaltung höherer Preise erlauben.
Paritätsverpflichtungen für das Angebot von Waren und Dienstleistungen, das sich nicht an Endverbraucher richtet, sind in der Regel nach der neuen Vertikal-GVO 720/2022 vom Kartellverbot freigestellt, wobei auch hier im jeweiligen Einzelfall die Wettbewerbsbedingungen betrachtet werden müssen.
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